Don’t grow too fast! Teil 3: Profit & Cash

Bill Hewlett und David Packard, die Gründer von HP, mussten es wissen. „Don’t grow too fast“ war ihr Resümee zu erfolgreichem Wirtschaften und es gibt diesem dreiteiligen Beitrag seinen Titel. Eine provokante Aufforderung in einer Zeit, die sich dem Motto „up and up only“ verschrieben hat.

Dieser Blogbeitrag beleuchtet die Tücken und Gefahren schnellen Unternehmenswachstums. Bislang wurden in den ersten beiden Teilen die Unternehmenskultur, People Management, Prozesse und Strukturen ebenso behandelt wie die Strategie, Qualitätsaspekte und das Erfordernis der permanenten Weiterentwicklung.

Growing big means earning big? Nicht immer.

Im dritten und abschließenden Teil geht es um die finanziellen Stolpersteine schnellen Wachstums. Diese werden deshalb gerne übersehen, weil Wachstum oft automatisch mit finanziellem Erfolg gleichgesetzt wird. Oder weil die zugrundeliegenden Zusammenhänge zu komplex sind, um sich im Detail damit auseinanderzusetzen. Gerade dort, wo es weniger offensichtlich ist, lohnt es sich jedoch besonders, genauer hinzusehen.

Geldmünzen, untermalt von nach oben zeigenden Pfeilen

© Lalaka, Adobe Stock

1. Kosten und Gewinn sind selten proportional skalierbar.

Menschen neigen zu linearem Denken. Gerne wird die Vergangenheit auf die Zukunft projiziert und geht man davon aus, dass die Dinge zumindest in ihren Relationen so bleiben wie sie sind. Gerade für Proportionen gilt dies jedoch kaum, weder in der Natur noch in der Wirtschaft.

Kostenstrukturen beispielsweise verhalten sich in Wachstumsphasen in den seltensten Fällen proportional. Fixkosten können sprunghaft ansteigen, der eigentlichen Leistungserbringung vorauslaufen oder durch Synergien positive Degressionseffekte zeigen. Was davon der Fall sein wird, hängt von der Kostenart, von vertraglichen Konditionen und von der konkreten Ressourcenauslastung ab.

Bei den variablen Kosten gilt es ebenfalls Synergieeffekte, Lernkurven, Verhandlungsstärke gegenüber Lieferanten und Ressourcennutzung zu bedenken, um eine realistische Planung für das wachsende Geschäft zu ermöglichen.

Bezüglich des Deckungsbeitrags kommt noch der Erlöseffekt hinzu. Wachsende Märkte und Marktanteile verlangen mit der Zeit oft nach Preisreduktionen. Durch Synergien in den Prozessen kann dies oft gut ausgeglichen werden, sodass die Marge auch in Wachstumsphasen oft gehalten werden kann. Aber eben auch nicht immer und keinesfalls automatisch.

Hier kommen also einige, sich teils gegenseitig beeinflussende Effekte zeitgleich zum Tragen. Gemeinsam mit der Vielfältigkeit der Kosten- und Erlöslandschaft führt dies oft dazu, dass das Budget in Wachstumsphasen oft nur grob geschätzt statt sachlich geplant wird.

Unternehmen, die den Break-Even-Punkt berechnen und sich ab dann in der stabilen Gewinnzone wähnen, denken jedenfalls zu kurzfristig und zu einseitig. Doppelter Umsatz bedeutet eben nicht doppelter Deckungsbeitrag oder gar doppelter Gewinn. Der Gewinn kann mit weiterem Umsatzwachstum durchaus auch wieder einbrechen. Gerade am Beginn stärkerer Wachstumsphasen wird dies aufgrund erheblicher sprungfixer Kosten sogar recht oft der Fall sein. Keine simple Break-Even-Rechnung für stark wachsende Unternehmen also. Und bitte auch keine Annahme konstanter Kosten pro Leistungseinheit. Man wird nicht drum herumkommen, ein wenig differenzierter zu rechnen.

Vor allem jedoch braucht es ein gehöriges Maß an kostenrechnerischem Gespür, um die anfallenden Positionen auch optimal zu steuern. Kosten für Personal, Miete, Software, Marketing, Reisen, Beratung und Weiterbildung lassen sich durch vielfältige Optionen nämlich oft gut an die jeweiligen Wachstumsbedürfnisse anpassen und mit den unten beschriebenen Liquiditätsströmen abgleichen. Die optimale Variante präsentiert sich dabei jedoch selten offensichtlich. Sie zu finden erfordert unternehmerisches Gefühl.

2. Profit is an opinion. Cash is a fact.

Noch tückischer als Kosten- und Gewinnstrukturen ist die Liquidität. Auf dem Weg zu schnellem Wachstum verwechseln Unternehmen gerne mal Profitabilität und Liquidität.

Ob das Geschäft skalierbar ist, ist eine der häufigsten Fragen für die Beurteilung des Wachstumspotenzials. Und sie bezieht sich allzu oft nur auf die Ressourcen und die damit verbundenen Kosten. Was gerne vergessen wird, sind jedoch die cashmäßigen Vorleistungen, die für dieses Wachstum erbracht werden müssen. Höhere Lagerbestände, höhere Außenstände von Kunden, Investitionen in Produktionskapazitäten, Verkaufsräume und Marktauftritt, in Forschung und Entwicklung.

Vieles davon belastet den Gewinn erst verzögert, braucht aber sofortige Liquidität. In einer Kapitalflussrechnung würde es evident (z.B. durch gebundenes Kapital im Lager und durch ausstehende Forderungen). Doch ein Finanzplan wird in der Euphorie der Wachstumsphase gerne mal vernachlässigt. Das Leistungsbudget zeigt mit der Gewinnprognose ein zu schönes Bild, als dass man sich den Kopf darüber zerbrechen möchte, ob man sich diesen Gewinn von der Zahlungsseite her überhaupt leisten kann. Von unterjährigen Schwankungen für Sonderzahlungen und Steuern sei hier erst gar nicht die Rede.

3. Investitionen – Basis für die Zukunft oder Beginn der Troubles?

Unternehmenswachstum braucht vor allem eines: Investments. In Mitarbeitende, Knowhow, Kapazitäten, zusätzliche Miete, Software, Equipment, Materialien, Patente, Lizenzen, Forschung, Marketing uvm. Dabei gilt es weniger auf buchhalterische Begrifflichkeiten zu achten. Ob diese umgangssprachlich so bezeichneten Investments nun tatsächlich als solche in der Bilanz aktiviert werden oder eher als Aufwand in die Gewinn- und Verlustrechnung gehen. Vielmehr geht es um die Frage, ob mit diesen Entscheidungen langfristiges Commitment verbunden ist und sie daher zu einem dauernden Auslastungsdruck führen können.

Denn in Zeiten starken Wachstums müssen Infrastruktur, Personal, Lagerbestände, Vertriebsressourcen und das Back-Office ausgebaut werden, um die Nachfrage zu bewältigen. Je flexibler ein Unternehmen in diesen Belangen bleiben kann, desto besser kann es auf künftige Schwankungen in der Auslastung reagieren. Vor allem zu Beginn eines neuen Größenniveaus kommt der Flexibilität ein höherer Stellenwert zu als den Kosteneinsparungen durch langfristige Bindungen. Outsourcing, flexibel abrufbare Bestellmengen, Überstunden und variable Gehaltsbestandteile können hilfreich sein während der Phase, in der das Umsatzwachstum erst auf seine Nachhaltigkeit getestet werden muss.

Hinzu kommt, dass in Zeiten, in denen sowohl Marktzinsen als auch Risiko schwer abschätzbar sind, die Kapitalkosten stark schwanken können. Damit sind klassische Investitionsrechenmodelle auf langfristige Sicht weniger aussagekräftig. Bis auf die statische Amortisationsrechnung benötigen sie ja einen validen Diskontierungszins, der sich an Risiko und Kapitalkosten orientieren soll. Je länger die für das Wachstum nötigen Investitionsprojekte dauern, desto größer ist die Hebelwirkung des Rechenzinses auf die Vorteilhaftigkeit des Projektes.

Zudem interagieren Zinsen mit der Inflation und der Konjunktur. Damit sind nicht nur die Kapitalkosten schwerer zu prognostizieren, sondern vor allem die grundlegenden Rechenparameter der Überschüsse aus den Investitionen (erzielbare Umsätze, erwartbare Zahlungen für Ressourcen etc.). Kurzum: Klassische Investitionsrechenmodelle kann man anwenden. Den Ergebnissen blind vertrauen sollte man aber gerade in Zeiten nicht linearen Wachstums aufgrund der vielen Schätzwerte besser nicht.

Lieber einen Tick vorsichtiger agieren und höhere Kosten für die Flexibilität in Kauf nehmen, als den Optimismus in Form von zu langfristigen Investitionen einbetonieren. Gebundenes Kapital und remanente Kosten führen sonst zu Auslastungsdruck, dem langfristig mitunter nicht standgehalten werden kann. Nicht umsonst fällt ein Gutteil der Unternehmenskonkurse in den Zeitraum kurz nach einer starken Wachstumsphase.

4. Wachstumsdruck drückt vor allem auf die Marge.

Wenn ein Unternehmen immer weiterwachsen oder zumindest ein erreichtes Level halten muss, um neu entstandene Kosten zu tragen und neu aufgebaute Ressourcen auslasten zu können, erhöht sich der Druck im Unternehmen enorm. Darunter können Produktqualität und Teammotivation leiden. Denn unter Druck entstehen wohl Diamanten, selten jedoch nachhaltig gute Lösungen.

Gegengesteuert wird dann gerne mit schnellen Entscheidungen: Mittels nicht tragbarer Rabatte werden Umsatzziele doch noch erreicht, ohne die Auswirkungen auf Deckungsbeitrag und Gewinn zu beachten. Oder es werden Produktentwicklungen verkürzt, um Kund:innen mit zeitnahen Nachfolgeprodukten zu locken, die dann die Qualitätserwartungen nicht mehr erfüllen. Die Folgen sind nicht überraschend: Die Nettoerlöse gehen wieder nach unten, Reklamationskosten steigen und die Reputation sinkt. Die dadurch reduzierten Margen intensivieren den Wettbewerb noch weiter und die Spirale dreht sich immer schneller in die falsche Richtung.

Mit smarten Wachstumsplanungen lassen sich all diese Stolperfallen freilich vermeiden. Erforderlich ist eine gute Kombination aus strategischen Überlegungen, vorsichtigen Konjunktureinschätzungen, Beobachtungen von Konsumentenverhalten und Konkurrenz, kalkulatorischem Geschick und profundem Finanz-Knowhow. Ganzheitlich denkende Manager:innen können dafür sorgen, dass ein Unternehmen scheinbar mühelos wie eine Gazelle zu immer höheren Umsatzniveaus springt. Einseitiges Management hingegen bedeutet oft nur eine Abkürzung vom erfolgreichen organischen Wachstum zum unternehmerischen Burnout.

Damit schleißt sich der Kreis zum ersten Themenfeld dieser Serie, worauf es bei starkem Unternehmenswachstum ankommt: auf ein Team aus loyalen, zur Strategie passenden und flexiblen Mitarbeitenden. In Zeiten starken Wachstums muss jede:r Einzelne aus dem Team Unternehmer:in im Unternehmen sein, um den Erfolg auch langfristig halten zu können.

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