Don’t grow too fast! Teil 2: Quality & Strategy

Im ersten Teil dieses mehrteiligen Beitrags ging es um die Bedeutung der Personalpolitik, der Unternehmenskultur sowie der Prozesse und Strukturen in Zeiten starken Unternehmenswachstums. Um solche Wachstumsphasen gut zu durchlaufen und in stabile Strukturen überzuführen, braucht es viel Feingefühl in personellen und zwischenmenschlichen Belangen. Der Spagat zwischen Dynamik und (meist nur temporärer) Stabilität ist eine Herausforderung, der mit Diplomatie, Gespür und herausragenden Führungsqualitäten begegnet werden muss.

Don’t grow too fast! Dieser Ratschlag wird Bill Hewlett und David Packard, den Gründern von HP, nachgesagt. HP ist ein Paradebeispiel eines schnellwachsenden Unternehmens, seine Gründer kannten auch die Nachteile exponentiellen Wachstums daher wohl sehr genau.

Der Weg zu mehr Umsatz sollte immer durch den eigenen Leitstern gelenkt werden.

Ein Fels in der Brandung am Meer

© Lothar, Adobe Stock

Im zweiten Teil dieses Beitrags geht es um die strategischen Tücken schnellen Unternehmenswachstums. Vision, Mission und Strategie müssen wie ein Fels allen Aspekten der Wachstumsbrandung trotzen können. Sonst besteht die Gefahr, dass Entscheidungen entgegen den grundlegenden Prinzipien getroffen werden, nur um das gesteckte Wachstumsziel zu erreichen.

1. Wer hoch hinaus will, braucht eine stabile Basis.

Diese stabile Basis besteht aus der Vision, dem Leitbild, dem strategischen Selbstverständnis des Unternehmens. „This above all: to thine own self be true“, schrieb Shakespeare, und das gilt für Unternehmen ganz besonders. Denn Unternehmen bestehen aus vielen Akteuren, und wenn diese keine gemeinsame Vorgabe und Richtung haben, ist die unternehmerische Identitätskrise vorprogrammiert.

In der Frage nach dem großen Warum, nach der generellen Richtung, sollten Unternehmen keine Kompromisse eingehen. In Zeiten starken Wachstums ergeben sich jedoch zwei typische Stolpersteine in Bezug auf die grundlegende Ausrichtung des Unternehmens:

Zum einen sind es vorwiegend kleine und junge Unternehmen, die starke Wachstumsphasen durchlaufen. Bei diesen sind eine langfristige Strategie und ein stabiles Leitbild oft noch gar nicht hinreichend definiert. Getragen von der anfänglichen Begeisterung für und Überzeugung vom Produkt werden sie oft vom eigenen Erfolg überrascht und überrollt. Dann sind diese Unternehmen für eine Zeit erstmal mit dem Abarbeiten der operativen Prozesse beschäftigt und die strategische Ausrichtung gerät in den Hintergrund.

Zum anderen besteht die Gefahr, dass ein bestehendes Leitbild, eine Vision, eine Mission angesichts exponentiellen Erfolgs verraten wird. Short-term gratification steht dann über der eigentlichen Zielsetzung, für die das Unternehmen losgehen wollte. Und so manches Unternehmen erkennt sich am Ende einer solchen Wachstums- und Veränderungsphase nicht mehr wieder. Das bringt oft auch den Verlust von Mitarbeitenden mit sich, die sich mit den Zielen nicht mehr identifizieren können. Und damit wandern Kompetenzen ab, die für das weitere Aufrechterhalten des Erfolgs dringend benötigt würden.

2. Qualität und Leistung zu skalieren, ist eine Königsdisziplin.

Der Ursprung starken Unternehmenswachstums liegt in der Leistung, im Produkt eines Unternehmens. Nur wenn den Kund:innen überzeugende Leistungen mit entsprechender Qualität angeboten werden, stellt sich Umsatzwachstum ein.

Die Crux ist nun jedoch, dass viele Unternehmen es nicht schaffen, genau dieses Qualitätsniveau auch in Zeiten starken Wachstums aufrecht zu erhalten. Wenn interne Systeme mit der angestrebten Skalierung nicht mithalten, werden Betriebe mitunter zum Opfer des eigenen Erfolgs. Denn die Infrastruktur, allem voran die personellen Kapazitäten, wachsen oft nicht in der gleichen Geschwindigkeit wie der Umsatz. Das liegt an den Kostenstrukturen, auf die ich im dritten Teil dieses Beitrags noch eingehe, und auch am Recruiting, wie ich es im ersten Teil beschrieben habe.

Fakt ist: Viele schnellwachsende Unternehmen skalieren nur in der Theorie und lassen ihre Mitarbeitenden mit der anfallenden Arbeit in der Praxis im Stich. Die Mehrarbeit soll in der gleichen Arbeitszeit untergebracht werden. Überforderung und zunehmende Demotivation machen sich breit und führen zu einer Häufung von Fehlern und einem Sinken des Servicegrads. Reklamationen und Beschwerden nehmen zu, Weiterempfehlungsraten dagegen ab und das Thema des zu schnellen Wachstums erledigt sich damit oftmals von selbst.

Wenn dann auch noch Mitarbeitende aufgrund der Belastung kündigen, fehlen in genau diesen Schlüsselpositionen die nötigen Ressourcen, und ein weiters Wachstum wäre gar nicht mehr tragbar.

3. Lernen & Entwicklung brauchen Zeit. Schnell ist hier nicht immer besser.

Unternehmenswachstum braucht Kompetenzen und kontinuierliche Weiterentwicklung. Es braucht Knowhow und Systeme, die den Erwerb und das Teilen dieses Knowhows managen. In Zeiten starken Unternehmenswachstums fehlen jedoch oft die personellen Ressourcen, um Mitarbeitende fachlich weiterzubilden. In der Flut der täglichen Aufgaben bleibt keine Zeit für Lernen und Entwicklung. Dabei ist die Investition in Weiterbildung tatsächlich die beste Investition, die ein Unternehmen machen kann. Viel zitiert und doch so wahr.

Auch in Bezug auf die Produktpalette zeigt sich gerade in Erfolgsphasen eine hohe Erwartungshaltung. Die Product Suite soll erweitert werden, neue Ideen müssen her. Es läuft ja gerade so gut, da muss man an der Customer Journey ansetzen und den Kund:innen gleich noch weitere Folge- und Ergänzungsprodukte offerieren. Nicht selten wird in die Entwicklung dieses neuen Angebots aber nicht die gleiche Sorgfalt gesteckt wie in das ursprüngliche zündende Offer. Schließlich braucht gute Produktentwicklung Zeit, um Kundenanforderungen, technische Möglichkeiten und Finanzressourcen abzugleichen.

Gut Ding braucht Weile, aber für Sprichwörter haben schnellwachsende Unternehmen keine Muße. Und so wird oft zu schnell ein Produkt herausgebracht, das die qualitätsverwöhnten Kund:innen enttäuscht. Auch damit dreht so manches Unternehmen selbst wieder an der Stellschraube in Richtung Trendumkehr.

Lernen und Entwicklung sind nicht umsonst die Basis der berühmten Balanced Scorecard. Zu viele Unternehmen schauen direkt auf die aktuellen Finanzen und vernachlässigen dabei, dass es ohne Lernen und Weiterentwicklung keine herausragenden Prozesse, keine zufriedenen Kund:innen und demnach auch keine zufriedenstellenden Finanzergebnisse geben kann.

4. Ist es wirklich die eigene Leistung? Own your success!

Starkes Umsatzwachstum ist nicht immer nur das Ergebnis genialer Strategien, smarter Produktentwicklung und des Findens bislang unentdeckter Nischen. Es kann schlichtweg auch vom Makroumfeld getrieben sein. Zinsniveau, Inflation, Pandemie … Die jüngere Geschichte ist voll von Beispielen, in denen Unternehmen durch äußere Faktoren bedingt in kurzer Zeit ungeahnte Höhenflüge erreicht haben, die sie dann nicht dauerhaft halten konnten.

Der Boom im Bau- und Immobiliensektor beispielsweise, unter anderem durch die Coronapandemie und niedrige Zinsen getrieben, hat einige Branchen verwöhnt. Bauträger, Makler, Küchenstudios, Handwerker, Möbelhäuser, Innenarchitekten – sie alle haben an der enormen Nachfrage verdient und blicken heute auf einen stagnierenden Markt. Zinsumfeld, Kreditvergaberichtlinien und Fachkräftemangel orchestrieren zusammen reihenweise Insolvenzen in diesen Branchen.

Um es auf den Punkt zu bringen: Unternehmen sollten sich nicht ausruhen auf Leistungen, die nicht die ihren sind. Guten Wind zu erkennen und zu nutzen, doch gleichzeitig im Auge zu behalten, dass sich dieser schnell wieder drehen kann, ist ein wichtiger Faktor im unternehmerischen Handeln. Bei allem, was zu schnell wächst, darf man Vorsicht walten lassen.

Gelegenheiten soll man freilich nutzen, doch dabei unbedingt auf die Konsequenzen langfristigen Commitments achten. Kostenstrukturen sind ein typisches Beispiel. Denn wenn sich Unternehmen in erfolgsverwöhnten Zeiten zu hohe Fixkosten aufbürden, schaffen sie sich damit eine Belastung für die Zukunft, die sie schnell überfordern kann.

Um die finanziellen Aspekte schnellen Wachstums geht es daher im dritten und abschließenden Teil dieses Beitrags. To be continued …

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