Wertschöpfung braucht einen Rahmen

Man darf den Tatsachen ruhig ins Auge sehen: Die Bedingungen für Unternehmen haben sich in den letzten Jahren deutlich verschärft. Zwischen rechtlichen Anforderungen, geänderten Kundenpräferenzen und rasanter technischer Entwicklung bleibt derzeit kaum ein Stein auf dem anderen. Um mit der aktuellen Dynamik mitzuhalten, müssen Betriebe zunehmend flexibel aufgestellt sein. Und sollten dabei wissen, worauf sie sich wirklich verlassen können, nämlich auf ihre eigenen Fähigkeiten und Stärken. Diese bilden den Rahmen für zukünftiges erfolgreiches Wirtschaften, auch wenn dieses sich inhaltlich deutlich verändert.

Unsere Zeit ist schnelllebiger geworden. Kundenpräferenzen ändern sich kurzfristiger. Produktlebenszyklen werden kürzer. Produktentwicklungen gestalten sich zunehmend komplexer. Und die Konkurrenz ist für die meisten Unternehmen gefühlt immer dichter dran. Schon allein dadurch, dass der Kundschaft durch die Internationalisierung und Digitalisierung immer bessere Vergleichsmöglichkeiten geboten werden. Auf Kundenloyalität können Unternehmen sich heute nicht mehr unbedingt verlassen. Und auf einer einmal erlangten Marktstellung auch nicht mehr ausruhen.

Deshalb geht es in diesem Beitrag nicht darum, eine erzielte Marktposition vor dem Hintergrund von Inflation, KI und politischen Vorgaben zu verteidigen. Oder darum, ein erfolgreiches Produktportfolio möglichst lange einzufrieren. Es geht nicht um Statik, es geht um Veränderung. Und um die Stärke, aus der heraus ein Unternehmen Veränderung sicher bewältigen kann.

Um Wertschöpfung zu erzeugen, brauchen Unternehmen Kompetenzen. Um nachhaltig wertschöpfend zu sein, brauchen sie Kernkompetenzen.

Das sind Fähigkeiten, die sie nicht nur beherrschen, sondern deutlich besser ausführen als die Konkurrenz. Mit ihnen können sich Unternehmen entsprechend positiv vom Mitbewerb abheben und langfristige Wettbewerbsvorteile erzielen. So weit, so gut und einfach.

Leerer Bilderrahmen an der Wand hängend

© Angèle Kamp, Unsplash

Was nun ins Blickfeld rücken sollte, ist, wie ein Unternehmen diese Kernkompetenzen auch für neue, andere Services einsetzen kann. Denn die Produktpalette selbst wird sich immer dynamischer ändern müssen, wenn Unternehmen erfolgreich am Markt bleiben wollen. Dabei geht es nicht nur um den Vergleich mit direkten Konkurrenzprodukten, sondern vor allem um Substitutionsgüter. Das sind jene Produkte, die für die Kund:innen denselben Zweck erfüllen, dasselbe Bedürfnis mitunter sogar besser befriedigen können. Betriebe sollten mögliche Substitute unbedingt am Radar haben und ihr Angebot entsprechend flexibel anpassen.

Die Produktpalette ist wie ein Bild: Innerhalb eines Rahmens, bestehend aus Fähigkeiten und Ressourcen, wird sie immer wieder ausgetauscht.

Wir kennen die Online-Händler, die ihre logistischen Kernkompetenzen konstant nutzen, um ein ständig wechselndes Marktangebot gleichbleibend zuverlässig zu vertreiben. Wir kennen die Serviceanbieter, die ihre fachlichen Fähigkeiten gezielt einsetzen, um für ihre Kundschaft aktuelle neue Packages zu schnüren. Wir kennen Hotels, Gastronomiebetriebe, Ärzt:innen, Handwerksbetriebe, die sich stetig verändern und dabei doch nicht vergessen, worin sie richtig gut sind.

Es geht nicht darum, erfolgreiche Geschäftsmodelle zu verwerfen. Sondern darum, sie weiterzuentwickeln. Mit einem Fuß stets am Boden, den anderen bereits nach vorne gerichtet, gehen diese Unternehmen in die Zukunft. Mit einem Standbein aus bewährten Produkten und einem Schwungbein, das für Innovation und Veränderung steht. Ich bewundere Betriebe in x-ter Generation, bei denen man diese Entwicklung über die Jahre gut beobachten kann.

Was solche Unternehmen gemeinsam haben, ist, dass sie es schaffen, ihrer unternehmerischen Tätigkeit einen Rahmen zu geben. Bestehend aus Ressourcen, Fähigkeiten, Kompetenzen, innerhalb derer immer wieder neue Bilder an erfolgreichen Leistungen und Produkten angeboten werden.

Dabei gilt es stets vier Eckpfeiler im Auge zu behalten, die man aus der VRIO-Analyse kennt. 1991 von Jay B. Barney entwickelt, steht VRIO für Value, Rarity, Imitability und Organisation. Um in der Dynamik der Märkte stets das passende Rüstzeug zu haben, sollten Unternehmen demnach auf jene Ressourcen und Fähigkeiten fokussieren, bei denen sie alle der vier folgenden Fragen mit einem sicheren Ja beantworten können. Ein Rahmen hat schließlich auch oft vier Ecken.

1. Ist diese Ressource oder Fähigkeit wertvoll?

Eine Ressource oder Fähigkeit ist natürlich dann für ein Unternehmen besonders wertvoll, wenn sie für die Vermarktung von Angeboten eingesetzt werden kann, die für die Kundschaft wertvoll sind. Customer value creates corporate value. Wenn sich Kundenwerte und Präferenzen ändern, sollten mit demselben Rahmen an Ressourcen und Fähigkeiten neue, passendere Angebote entwickelt werden können. Sonst gelten diese Ressourcen und Fähigkeiten nicht als strategisch wertvoll.

2. Ist diese Ressource oder Fähigkeit selten?

Es ist schön und gut, Ressourcen und Fähigkeiten zu haben, welche die Kundschaft wertschätzt. Doch wenn der Angebotsmarkt zu groß für die Anzahl an potenziellen Abnehmer:innen ist, reicht dies nicht. Dann braucht man nicht Ökonomie zu studieren, um zu erkennen, dass sich ohne Seltenheit kein Wettbewerbsvorteil erzielen lässt. Höchstens ein Wettbewerbsgleichstand. Das mag ausreichen, solange ein Markt nicht vollkommen transparent ist und ausreichend persönliche Kundenbindung gegeben ist. Doch es ist dünnes Eis und sicher keine langfristige Strategie für dynamische Märkte.

3. Ist diese Ressource oder Fähigkeit schwer imitierbar?

Seltenheit ist oft nur eine flüchtige Begleiterin. Denn alles, was einen hohen Wert hat, wird besonders gerne nachgeahmt. Gerade bei wertvollen und seltenen Ressourcen ist der Schutz vor Imitierbarkeit daher besonders wichtig. Dieser kann aus verschiedensten Quellen kommen:

  • Schutzrechte wie Patente und Markenrechte können den rechtlichen Bereich oft am einfachsten abstecken.
  • First Mover Vorteile bieten mitunter einen schwer aufzuholenden Vorsprung und ermöglichen damit Schutz vor Nachahmung.
  • Intransparenz zwischen dem Output und der dahinter liegenden Kreativität oder den Prozessen machen Nachahmung oft unmöglich. Wie machen die das nur immer mit diesem coolen Produktdesign? Warum haben die so wenig Kundenbeschwerden?
  • Unternehmenskultur, soziale und personelle Kompetenzen lassen sich oft gar nicht imitieren. Das ist eine gute Nachricht vor allem für Märkte mit vielen kleinen Anbieter:innen. Erfahrung und Knowhow lassen sich nicht einfach kopieren. Und sind wichtige Argumente für die Bedeutung von Personal-Konstanz und geringer Fluktuation. Doch das ist ein anderes Thema, zurück zum Rahmen:

4. Unterstützt die Organisation das Unternehmen dabei, diese Ressource oder Fähigkeit voll auszuschöpfen?

Wo Chaos herrscht, entsteht kein Wert. Wenn Unternehmen formell und informell nicht stabil aufgestellt sind, werden sie ihre Ressourcen und Fähigkeiten nicht optimal nutzen können. Auch wenn diese wertvoll, selten und unnachahmlich sind. Es braucht entsprechende Führungssysteme, Kommunikationswege und Organisation, um die PS auf die Straße zu bringen. Walk the talk!

Wenn ein Unternehmen genügend Kernkompetenzen hat, bei denen es all diese Fragen sicher bejahen kann, ist es auch für eine dynamische Zukunft gut ausgerüstet. Dann hat es einen stabilen Rahmen, mit dem es immer wieder Wertschöpfung kreieren kann. Und so aus der Stärke heraus auch größeren Veränderungen begegnen kann.

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